IDSTEINER MITTWOCHSGESELSCHAFT

BUCHBESPRECHUNG MIT DISKUSSION

Mittwoch, den 04. Dezember 2013

im Hotellobby des Hotels zur Traube & China Restaurant Golden Lotus,

Rodergasse 27 - 65510 Idstein/Ts.   

um 19:00 Uhr


Deutschen und Juden vor 1939

Stationen und Zeugnisse einer Schwierigen Beziehung



Deutsche und Juden vor 1939

Der gemeinsame Gang durch die Jahrhunderte war keineswegs nur von Vorurteilen, von Ausgrenzung und Vernichtung gekennzeichnet, sondern auch – und das wird häufig vergessen – von gegenseitiger Bewunderung und Befruchtung großer Dichter und Denker, Nobelpreisträger und Staatsmänner. Das Buch dokumentiert diese tief greifende Symbiose samt Augenmerk auf „geschichtlichen Randnotizen“, welche nicht selten entscheidende Hinweise für das Gesamtverständnis liefern.

Die meisten Publikationen, die sich des Schicksals der Juden in Deutschland annehmen, haben primär den Zeitraum zwischen 1939 und 1945 im Blickfeld. Dieses Buch ist anders: Es setzt weit früher an und widmet sich vornehmlich der Frage nach der Entstehung des deutsch-jüdischen Dilemmas.

Die beiden Autoren, ein Deutscher und ein Jude, begaben sich dazu auf Spurensuche, legten frühe gemeinsame Wurzeln frei und entdeckten über die Jahrhunderte viel Verbindendes, aber auch so manches, das trennte. Alles in allem aber – und das wird hier besonders deutlich – war es ein Weg der Symbiose, der wechselseitigen fruchtbaren Ergänzung, was zahlreiche Errungenschaften und Auszeichnungen in Wissenschaft, Kunst und Politik dokumentieren.

Um die Wende vom 19. ins 20. Jahrhundert waren Juden in Deutschland weitestgehend assimiliert – sie fühlten sich voll und ganz als Deutsche. Das ungewöhnliche Autorengespann, stets um Sachlichkeit bemüht, belegt dies anhand vielerlei Quellen und Zeugnisse. Einzigartig wird die Zusammenstellung durch zeitgeschichtliche Kommentierungen jüdischer Zeitungen und Zeitschriften von 1850 bis zu ihrem Verbot 1938, welche im Anhang einzeln porträtiert werden.

Zugleich ist das vorliegende Werk eine Gesellschaftsstudie, die anhand historischer Entwicklungen aufzeigt, wie schleichend sich totalitäre Ideologien entfalten, warum Hass, Hetze und Radikalismus, gleich welcher Couleur, stets ins Verderben führen.

Weniger bekannt ist beispielsweise, dass …

  • viele deutsche Juden patriotisch dachten und es als ihre Pflicht ansahen, sich im Ersten Weltkrieg freiwillig zum Militärdienst zu melden.
  • die Mehrheit der jüdischen Bevölkerung in Deutschland zugewanderten „Ostjuden“ skeptisch bis ablehnend gegenüberstand.
  • ein von den Briten gegründetes Hochkomitee bereits 1907 plante, einen „Fremdkörper“ in die arabischen Länder zu pflanzen, „um die Vereinigung ihrer Flügel zu verhindern“; stattdessen sollten sie sich „in niemals endenden Kriegen erschöpfen“.
  • nur ein winziger Prozentsatz der Juden in Deutschland sich für Sozialismus und Kommunismus begeistern konnte, gleichwohl Karl Marx wie auch Kurt Eisner Juden waren.
  • in Russland 1915 die jüdische sozialistische Republik Birobidschan entstand und bis heute autonom existiert.
  • der moderne Antisemitismus hierzulande erst nach der gescheiterten Revolution im Freistaat Bayern 1919/20 seinen Anfang nahm.
  • ab Sommer 1938 Zionisten und Nationalsozialisten heimlich hinsichtlich einer illegalen Einwanderung nach Palästina kooperierten.
  • viele bedeutende Literaten – darunter auch jüdische – noch 1933 meinten, Hitler sei ein vorübergehendes Phänomen.

Über die Autoren:

Der aus Rumänien stammende und in Jerusalem sesshafte Historiker Reuven Moskovitz (geb. 1928) ist Holocaustüberlebender. Seine Versöhnungsarbeit zwischen Juden und Palästinensern wurde mit mehreren Friedenspreisen gewürdigt. Wolfgang Effenberger (geb. 1946) ist freier Publizist mit Schwerpunkt Geopolitik. Er lebt am Starnberger See. Mit ihrem ersten Gemeinschaftswerk möchten die beiden Autoren dazu beitragen, dass die Geschichte Europas nie wieder in repressive Gewässer mündet. 

Quelle:

http://zeitgeist-online.de/buecher/bisherige-veroeffentlichungen/962-deutsche-und-juden-vor-1939.html

Wolfgang Effenberger, Reuven Moskovitz: Deutsche und Juden vor 1939, Stationen und Zeugnisse einer schwierigen Beziehung, Verlag zeitgeist Print & Online  Stuttgart, 2013.

Woldemar Freiherr von Biedermann, Goethes Gespräche, Dritter Band, Erster Teil 1817-1825 (1971) Zürich und Stuttgart: Artemis Verlag

Ivica Košak: Und in den dunkelsten Momenten leuchtet das Licht der Großzügigkeit der Menschen, RIJEČ Nr. 42, Kroatische kulturgemienschaft e.V. Wiesbden, Seite 23_24.PDF

Ivica Košak: Auseinandersetzung mit unserer Vergangenheit, Glasnik 2004, AMAC-Deutschland e.V. Frankfurt/M. 2004. PDF

Titelbild: 

Felix Mendelssohn-Bartholdy spielt vor Goethe (1830 in dessen Haus in Weimar).-Gemälde, 1864, von Moritz Daniel Oppenheim (1800, Jüdisches Museum Frankfurt/M.)


                                                                                                                                           REFERENT: Ivica Košak