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DAS WORT - MITTEILUNGSLBLATT DER KROATISCHEN KULTURGEMEINSCHAFT

Haec natura multitudinis est, aut servit humiliter, aut superbe dominatur.

Die Natur der Menge ist, dass sie entweder sklavisch dient oder übermütig herrscht

Titus Livius

PSYCHOLOGIE DER MASSEN

Sind die Massenpsychologien Ursache oder Beschreibung für Massenphänomene?

 

Was unsere Geschichtsschreiber von der Natur der Menge sagen, gilt nicht für eine durch Gesetze gezügelte Menge, wie die römische, sondern für eine zügellose, wie die syrakusanische, welche die Verbrechen rasender und zügelloser Menschen beging ... Denn ein Volk mit guter Verfassung wird beständig, klug und dankbar sein, so gut wie ein Fürst, ja mehr als ein Fürst.[1]

Der oft missverstandene Machiavelli macht in seiner Discorsi immer wieder deutlich, dass alles zum Wohle des Volkes zu geschehen habe (nicht zum Wohle seiner Herrscher) und bringt es mit der bekannten Formulierung auf den Punkt: Republiken sind Staaten, in denen das Volk Fürst ist! Er kritisiert, die Menschen hätten sich bisher leider nicht die Mühe gemacht, die Technik des richtigen Handelns in der Politik zu erlernen, sondern eher nach Gefühl, Instinkt, Gewohnheit und Laune gehandelt, die Alten zwar bewundert, aber ihre Taten nicht systematisch ausgewertet. Wir müssen bei allen unseren Entscheidungen also erwägen, auf welcher Seite die wenigsten Missstände sind, und einen danach gefassten Entschluss für den besten halten, weil keine Sache auf der Welt ohne ihre Schattenseite ist.

Effektives politisches Handeln ist - nach Machiavelli, - nicht immer im Einklang mit Moral möglich, denn um Macht und Führung zu erhalten, muss (so meint er) jedes Mittel recht sein, weil sonst die Welt in Anarchie versänke.

Die Schädlichkeit des „Gruppendenkens“ (d. h. der intellektuelle Gruppenzwang) ist durch eine Reihe von Symptomen erkennbar:

 

       ein übersteigertes Selbstvertrauen der Gruppe,

       das emotional bedingte Pochen auf die Gemeinsamkeit des Denkens, Fühlens und Urteilens,

       sowie die Angst einzelner Gruppenmitglieder davor, sie könnten als illoyal erscheinen.

 

Wenn die Dinge in einem Team so liegen – und das ist besonders leicht dort der Fall, wo an der Spitze eine Persönlichkeit mit hohem Prestige steht, – versagt die gruppeninterne Kritik an den Plänen leicht; es herrscht dann zu viel Eintracht.  Und die  situativen Bedingungen, welche für die Erfüllung der rationalen Voraussetzungen günstig bzw. schädlich sind, führen zur falschen Entscheidungen.[2]

Sind Gruppen schlechter als die Summe ihrer Mitglieder, weil Informationen, die Einzelne besitzen, nicht mitgeteilt oder beachtet werden, spricht man von Prozessverlusten, wie im folgenden Experiment gezeigt: Der beste von mehreren fiktiven Präsidentschafts-Kandidaten hat acht positive und vier negative Eigenschaften. Abgestimmt wird nach Diskussion in einer Vierergruppe. Alle Probanden erfuhren die vier negativen Eigenschaften; in Versuchsbedingung 1 kannten die Diskutanten alle positiven Eigenschaften des Kandidaten, in Versuchsbedingung 2 kannte jedes Gruppenmitglied nur jeweils zwei. Beide Gruppen besaßen also insgesamt dieselben Informationen. 83 % der Gruppen der ersten Bedingung, aber nur 24 % der Gruppen der zweiten Bedingung stimmten für den besten Kandidaten.[3]

In seiner Psychologie der Massen[4] stellt Gustave Le Bon die Grundbegriffe des Massenverhaltens dar und gilt somit als Begründer der Massenpsychologie.
Unter dem Eindruck eines grundlegenden Wertewandels der westlichen Gesellschaft sowie der wachsenden politischen Macht der Masse, der jüngsten Herrscherin der Gegenwart, entschloss sich Le Bon zu einer Untersuchung dieses Phänomens. Er verstand sein Werk als die erste systematische Auseinandersetzung mit der Masse als psychologisch erfassbarem Gegenstand. Nach Le Bon, verliert der Einzelne, auch als Angehörige einer Hochkultur, in der »Masse« seine Kritikfähigkeit und verhält sich affektiv und primitivbarbarisch. In der Massensituation ist der Einzelne leichtgläubiger und unterliegt der psychischen Ansteckung. Somit ist die Masse von Führern leicht zu lenken.
Gustave Le Bon beschrieb bereits 1895:

-    wie Diktatoren die Macht ergreifen

-    wie der Sozialismus scheitert

-    wie heutige Politiker es immer wieder schaffen, dass wir sie wählen.

Masse“ nach Le Bon: In [einem] Haufen, der eine Masse bildet, [gibt es] keineswegs eine Summe und einen Durchschnitt der Bestandteile, sondern eine Zusammenfassung und Bildung neuer Bestandteile, genauso wie in der Chemie sich bestimmte Bestandteile, wie z.B. die Basen und Säuren, bei ihrem Zustandekommen zur Bildung eines neuen Körpers verbinden, dessen Eigenschaften von denen der Körper, die an seinem Zustandekommen beteiligt waren, völlig verschieden sind.

Wir finden keine positiven Aussagen über Massen bei Le Bon.

Die Massen sind:

•    intolerant, wandelbar (mit jedem neuen Führer, jeder neuen Idee), primitiv

•    kulturfeindlich und zerstörerisch

•    ohne Vernunft; von Führern manipulierbar/ hynotisierbar

•    Gleichheit-Förderdernd aber  stets eines Führers bedürftig

Bewertung der Massen in der Demokratie: Massen haben einen schlechten Einfluss.

Le Bon führt der Begriff "Der Nimbus" (etwa Charisma) ein. Das ist der Zauber, der von einer bestimmten Person ausgeht:       

Der „Nimbus“ der Charisma: Diese Bezauberung lähmt alle unsere kritischen Fähigkeiten und erfüllt unsere Seele mit Staunen und Ehrfurcht. Der Nimbus ist der mächtigste Quell aller Herrschaft. Götter, Krieger und Frauen hätten ohne ihn niemals herrschen können.

Le Bon „entlarvte“ auch die Rolle der Medien. Das Wiederholte befestigt sich so sehr in den Köpfen, dass es schließlich als eine bewiesene Wahrheit angenommen wird!

Die größte Gefahr für Le Bon ist die übermäßige Verschwendung der Finanzen und die zunehmende Beschränkung der persönlichen Freiheit. Le Bons Empfehlung: "Die Kenntnis der Psychologie der Massen ist heute das letzte Hilfsmittel für den Staatsmann, der diese nicht etwa  beherrschen kann - das ist zu schwierig geworden aber wenigsten nicht zu sehr von ihr beherrscht werden will.“

 

Jeder, sieht man ihn einzeln, ist leidlich klug und verständig; Sind sie in corpore, gleich wird euch ein Dummkopf daraus.

Friedrich Schiller


 Freud greift auf seine Ergebnisse der Trieblehre zurück und ist der Ansicht, dass Massen durch libidinöse Bindungen zusammengehalten werden. Bei jedem Individuum wirken in der Masse Liebestriebe, die von ihren ursprünglichen Zielen abgelenkt sind. Sie verfolgen kein direktes sexuelles Ziel, jedoch ohne darum minder energisch zu wirken.[5]  Freud nennt zunächst die (weitgehend unbewusste) Identifizierung mit den anderen Individuen der Masse, die sich alle in gleicher Weise zum Führer hingezogen fühlen, als bindendes Element. Das Ich nimmt eine bedeutsame Analogie am Anderen wahr und identifiziert sich mit ihm. Hinzu kommt eine Bewunderung und Idealisierung des Führers einer Masse durch den Prozess der Idealisierung. Dabei fließt die narzisstische Libido auf das Objekt über und man liebt es wegen der Vollkommenheit, die man fürs eigene Ich angestrebt hat.

 

Ivica Košak

Idsteiner Mittwochsgesellschaft

Idstein, 4. Februar 2015

 

 



[1] Niccolò di Bernardo dei Machiavelli :  Discorsi sopra la prima deca di Tito Livio,  (I, cap. 58) siehe: Alexander Ulfig (Hrsg): Machiavelli, gesammelte Werke in einem Band. 2001-Verlag, Frankfurt/M. 2007.

[2] Paul't Hart: Irving L. Janis' Victims of Groupthink, Political Psychology, Vol. 12, No. 2 (Jun., 1991), pp. 247-278, International Society of Political Psychology.

[3] Garold Stasser, William Titus: Pooling of unshared information in group decision making: Biased information sampling during discussion. In: Journal of Personality and Social Psychology. 48 (1985) 6, S. 1467–1478.

[4] Gustave le Bon, Psychologie des foules, Paris 1895.

[5] Sigmund Freud: Massenpsychologie und Ich-Analyse. Die Zukunft einer Illusion. Frankfurt am Main 2005.


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